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Syrien Tagebuch – September 2014

06/09/2014

Syrien Tagebuch:
1. September 2014
Wir haben in der Gegend von Damaskus einen anderen Weg genommen um Harasta zu vermeiden. Vorsichtsmaßnahme wegen der Kämpfe in Jobar.

Mother of Syria von heute:
The terrorist’s second defence line has fallen,
and Syrian Arab Army forces are advancing in Jobar ,
more than 30 blocks were liberated by now , more than 300
zombies had been terminated since yesterday, and now the special units
from the Republican Guard Forces are advancing in certain axes
to detect the terrorists’ tunnels.
From far with tears to hear
success of heroic Syrians
sound heavenly to my ears.

Auf dem Weg verschiedene Checkpoints vor allem um Damaskus und ab und zu im Qalamun, aber sonst geht es flott voran. An der Autobahn sieht man manchmal zerstörte Gebäude. In Nabk ist der große Komplex von Taba, wo man immer die Spezialität der Stadt, Harisseh, kaufen konnte (eine Art Kuchen aus Gries und Honig gemacht) und umsonst ein Glas Tee zu trinken bekam, völlig zerstört. In Deir Attiyeh scheint die Qalamun-Universität intakt zu sein, vor dem Krankenhaus stehen noch 3 Autoschrottreste, aber sonst sieht man von der Autobahn her wenig. In Qara sind es die Minarette der Moscheen, die gelitten und Teile verloren haben, auch einige Häuser am Straßenrand. Das Kloster kann man nicht sehen von der Straße aus. Auch 20 km vor Homs ist das Restaurant, in dem wir oft Rast machten, vor allem wenn wir mit vielen Leuten unterwegs waren, leer. Ob es Schaden genommen hat, sieht man nicht. Vielleicht die Fenster. Bei Homs fahren wir Richtung Hama. Auch hier sehen wir in den Ausläufern von Baba Amr zerstörte Gebäude. Irgendwie alles menschenleer. Allerdings kann man das von der Autobahn her nicht wirklich beurteilen. Wir biegen Richtung Tartus ein und kommen dann auf diesem Autobahnzweig gleich von Anfang an an lauter Verkaufsständen vorbei, die es letztes Jahr noch nicht gegeben hat. Jetzt beginnt wirklich der lebendige Teil der Auobahn. Neuerbaute Häuser in bunten Farben, irgendwie alles positiv.
Von Weitem sehen wir rechts das Krak des Chevaliers und ein paar Kilometer links davon die al Wadi-Universität. Man sieht nicht, ob sie Schaden genommen hat, sie sieht modern und farbig aus. Die Autobahn geht über Tartus weiter bis nach Lattakia mit ein paar Checkpoints und mehr „Fastfood“-Ständen als früher (Fladenbrot mit Paprikapaste?, jedenfalls mit irgend so etwas drauf, was am Straßenrand verkauft wird).
Vor Lattakia letzter Checkpoint, dort herrscht weiter Bauboom, die Straßen sind verstopft, viel Lärm und Abgase, auch viel Schmutz, wohl wegen der vielen Leute, die es dort gibt. Es ist im Grunde eine hässliche Stadt, da jeder auf die älteren Häuser drauf gebaut hat und so 6-stöckige Gebäude entstanden sind in einem heillosen Durcheinander. Kein Urbanismus, nichts durchdacht. Die neuen Viertel der wohlhabenderen Leute sind von vornherein durchdacht und aufgebaut.
In die Küste soll ein russischer Investor groß investieren wollen. Hoffentlich nicht so wie in Spanien oder der Türkei, dafür ist unsere Küste viel zu klein.
Wir erfahren, dass wir nicht mehr an unserem gewohnten Platz schwimmen gehen können, da alle Ferienhäuser dort an Aleppiner vermietet wurden, und vor deren Augen haben wir keine Lust, uns im Badeanzug zu zeigen. Jetzt müssen wir an einen weniger schönen Platz gehen. Vorher gab es keine Probleme, da die Leute von Lattakia ja daran gewöhnt sind, auch wenn badende Aleppiner (selbst wenn Frauen in Kleidern) ins Wasser gingen, konnte man das hinnehmen, weil man ja ins Wasser ging, hinaus schwamm und dann dort draußen war. Bei unserem gewohnten Platz gab es allerdings nur problemlose Badegäste, daher war das angenehm, ab vier Uhr zu baden.
Die Chinesen sollen in den Wohnungsbau und in eine Modernisierung der Eisenbahn investieren. Vielleicht kommt ja dann endlich eine U-Bahn in den großen Städten, die diese wirklich brauchen.
Ach ja, die Schweizer wollen anscheinend ihre Botschaft wieder eröffnen, zuerst in einem Hotel in Damaskus. Auch die Italiener sollen schon sondieren. 5 Deutsche sollen ebenfalls mit der Regierung verhandeln (BND?).
In das Plünderungsbüro in Berlin unter dem „Superexperten für den Nahen Osten“ Volker Pertes (man kann auch sagen den Schwätzer, der immer im Fernsehen als „Experte“ befragt wurde) sind offensichtlich Mengen an Steuergeldern geflossen für ein „Syrien nach Assad“. GTI sollte ja auch in der Jezireh (Jenseits des Euphrats in Syrien) tätig werden, gemeinsam mit den Emiraten, die daraus vielleicht ein zweites Dubai machen wollten). Nachdem daraus nichts wird, werden sie vielleicht versuchen, noch irgendetwas aus den verlorenen Geldern heraus zu holen, wenn die Amis oder die Syrer sie lassen. Die Syrer, denke ich, wenden sich lieber an befreundete und nicht an sie sanktionierende Länder, und das mit Recht.

2. September:
Im Suq unheimlich viele Leute, von Short tragenden Mädchen bis zu voll verhüllten Aleppinerinnen, der Kontrast könnte nicht größer sein. Gerade das macht vielleicht den Charme der Stadt aus, obwohl man vorher die voll Verhüllten kaum in Lattakia gesehen hat. Die sind bei den anderen auch nicht sehr beliebt, weil sie sich meist als die besseren Menschen betrachten und meinen, sich überall vordrängeln zu können. Es sollen so viele von den Verhüllten an den Stränden sein. Mal sehen, ob ich überhaupt schwimmen gehe.

Hollande in Frankreich hat die „superdemokratischen Saudis“ empfangen, sicherlich um die Zukunft des „diktatorisch gelenkten Syriens“ zu besprechen.

4.9.
Heute früh war ich schwimmen, hatte die Männer erst mal vorgeschickt, um die Lage zu peilen. Wenig Leute dort, wo wir waren, keine verhüllten Aleppinerinnen, aber in den Straßen zwischen den Ferienbungalows viel Dreck. Ich muss an Neapel denken. Das Wasser wunderbar, alles perfekt, ich komme morgen früh wieder.
Sobald man die Strandgegend verlässt, ist auch der Dreck nicht mehr da. Dort wirft jeder alles auf den Boden, wie es gerade kommt. Die Leute allerdings, die immer in der Stadt wohnen, wollen den Dreck natürlich nicht vor ihrer Haustür haben.
Alles ist viel teurer geworden, manchmal doppelt so viel wie vorher, manchmal muss man auch eine Null an den früheren Preis anhängen. Das Fleisch wird allmählich etwas billiger, die Leute können es sich nicht mehr leisten und daher gibt es ein Überangebot.
5.9. Heute waren wir wieder schwimmen und bekamen dabei Besuch von zwei Pelikanen.
Außerdem trafen wir an Land einen Storch und einen Flamingo. Syrien liegt auf der Vogelroute zwischen Europa und Afrika und manchmal stranden erschöpfte Vögel hier und werden von einem Cafébesitzer eingesammelt, aufgepäppelt und sie bleiben dann hier und sind ganz zahm. Dort wo wir schwimmen, gibt es auch viele kleine Fische, so dass die Wasservögel genug Nahrung kriegen. Und hier spürt man den Krieg nicht. Allerdings hören die Leute in den Dörfern weiter östlich die Schusswechsel.
Auch waren wir heute in einem Dorf, das 40 Märtyrer zu beklagen hat, kaum eine Familie, die nicht einen Toten beweint.
Der Bruder eines Freundes ist ebenfalls als Märtyrer in Aleppo gefallen. Es gibt zu viel Leid in den Familien.
Die Luft außerhalb der Stadt ist etwas Anderes, frisch und erholsam. Wir hatten eine Panne und schon gab es eine Menge Leute, die helfen wollten. Das ist genau das, was wir immer gekannt haben, und dies ist hier nicht verloren gegangen.
Die Bevölkerung von Lattakia soll sich verachtfacht haben, wie man mir sagt.

 

* Anmerkung Urs, leichte Kürzungen und Links von mir

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