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Syrien Tagebuch, Sommer 2017 Fortsetzung #Diary #Syria #Damascus

06/10/2017

Bericht Sommer 2017, 2. Teil

Am Dienstag vor dem Fest, das am 1. September beginnt, fahren wir am Morgen nach Lattakia. Wir nehmen immer noch den sicheren Weg, den auch die Überlandbusse befahren, den über Al-Tell. Diesmal sind wir aber schon etwas früher auf der Autobahn nach Homs, denn weite Teile der östlichen Ghouta sind schon befreit. Neue Tankstellen entstehen und auch neue Gebäude und die Ruinen gehen zurück. Wohngebäude werden ausgebessert und erneuert, man merkt auch hier eine gewisse Zuversicht. Auch Restaurants werden neu errichtet.
Ich habe den Eindruck, dass hinter Maalula die Baumpflächen größer geworden sind, dass man versucht hat, mit Neupflanzungen die leeren Flächen zwischen den alten Pflanzungen aufzufüllen.

In Nabk haben sich die Ruinen ebenfalls verringert, nur der Teba-Komplex fällt als Totalruine auf, wo man anhalten und umsonst einen Tee trinken konnte und wo die meisten Leute dann die Spezialität von Nabk, Harisseh, gekauft haben. Die Temperaturen sind gut zu ertragen, da wir in den Bergen sind und ein kühles Lüftchen weht.
Wir kommen an Qara vorbei, wo in den Bergen oben der ISIL zusammengebrochen ist. Auch hier sind schon neue Bauten entstanden und andere ausgebessert. In Deir Attiyeh sind kaum mehr Spuren der Kopfabschneiderwalze zu sehen. Das Krankenhaus auf der Anhöhe ist wieder eröffnet und auch die Universität funktioniert wieder voll. Neue Bauten entstehen auch hier.
Wir lassen Homs mit seiner Ölraffinerie links von uns und fahren Richtung Tartous immer leicht bergab weiter. In Bab Amr ist auch nicht mehr viel Zerstörung von der Straße aus zu sehen. Eine Menge Läden haben sich an der Straße entlang ausgebreitet, wo viele Sachen aus dem Libanon verkauft werden. Die Grenze ist ja ganz nah. Auf dem Weg kommen uns Truppentransporte entgegen, die sich in Richtung Hama bewegen.
Vorbei am Krak des Chevaliers und der Al Wadi-Universität und an Tartous vorbei, das in diesen Kriegsjahren auch ganz schön gewachsen ist. Dann an Banyas mit seinen Raffinerietürmen und der Burg von Marqab vorbei, die immer eine meiner Lieblingsburgen war, da noch so ursprünglich.
Man fühlt das Meer, da es nun ganz feuchtheiß ist. 38 Grad in Damaskus waren eigentlich erträglicher als diese feuchtheißen Temperaturen von 31 Grad. Noch gibt es aber eine kleine Brise.

Zwischen Damaskus und Homs hatten wir etwa 2 oder 3 Kontrollpunkte zu passieren, an der Küste aber etwa 5 oder 6. Verständlich. Wir stehen vor dem Fest und die Aktionen der westlichen „Rebellen“-Lieblinge zum Eliminieren der Zivilbevölkerung finden ja immer mit Vorliebe vor oder an den Festtagen statt.

Lattakia hat sich nicht verändert, Spuren der Ereignisse vor der Universität sind beseitigt. Ankunft genau zum Mittagessen.
Wir erleben dann alternative Stromsperren im Rhythmus von drei Stunden, drei Stunden ja, drei Stunden nein. Wann es Wasser gibt und wann nicht, ist nicht so klar, weil das Wasser mit einem Motor nach oben in die Zisternen gepumpt werden muss und dafür braucht man Strom.
Lattakia ist immer noch keine schöne Stadt, hat sich aber in diesen Kriegsjahren ganz schön vergrößert.
Die feuchtheiße Luft macht zu schaffen. Wenn man kein Freund von Klamaanlagen ist, dann schwitzt man ganz schön.
In der Nacht werden wir von den ersten Schnaken gestochen. Da es dieses Jahr besonders heiß ist, gibt es auch viele von diesen Quälgeistern.
Am nächsten Tag ist Zahnarzt angesagt. Auf Empfehlung entdecken wir einen jungen dynamischen gut arbeitenden Zahnarzt, dessen Vater schon diesen Beruf ausgeübt hat. Höchst zufrieden kehren wir zurück.
Und dann geht es am nächsten Nachmittag in den Norden, an Ugarit vorbei, den 3500 Jahre alten Resten einer aramäischen Stadt, in der das weltweit erste Alphabet entdeckt wurde, in Richtung Ras al Bassit und Kassab. Auf diesem Weg biegen wir nach links ans Meer ab, um dort schwimmen zu gehen. Zwar kein Sandstrand, dafür aber schöne Wellen und sauberes Wasser und ungestörtes Schwimmen. Auf dem Weg dorthin blüht der Hibiskus leuchtend rot, dazwischen der rosafarbene Oleander und immer wieder Bougainvilleabüsche in allen Farben, weißblühender Jasmin, Bananenstauden, Feigenbäume mit ihren Früchten, Orangenplantagen, die von Zypressen umzäunt sind, blühende Aloe vera, Granatapfelbäume mit noch nicht reifen Früchten, Schilf, Aleppokiefern und dazwischen auch Palmen. Das Wasser ist äußerst angenehm, hat vielleicht 28 Grad oder sogar mehr. Von weitem sieht man Ras Ibn Hani, eine Halbinsel nördlich von Lattakia, auf der sich die großen Hotels und Bungalows an den Stränden breit gemacht haben. Dort gibt es die Sandstrände, auf die wir gern verzichten. Ras Ibn Hani mit einer kleinen alten Moschee am Ende der Halbinsel war vor 3500 Jahren der Hafen von Ugarit gewesen, wie man bei Ausgrabungen feststellen konnte. Die Gebäude sind allerdings schon recht nahe an das Ausgrabungsgelände herangekommen. Zwischen ihnen befinden sich noch einige hellenistische Bauwerke.

September 2017

Heute ist der erste Tag des Festes. Der Präsident ist in Begleitung des Muftis Badreddin Hassun in die Freitagsmoschee in Qara zum Gebet gegangen zur Überraschung der Gemeinde. Danach wurde er von den Gläubigen umringt, jeder wollte ihm die Hand geben und inzwischen sind die Menschen aus dem Städtchen herbeigeströmt, die das sicher aus dem Fernsehen erfahren hatten, und haben sich vor der Moschee versammelt, um ihm die Hand zu geben und ihm ihre Zuneigung und Begeisterung zu zeigen. Im eigenen Wagen ist er dann auch wieder weggefahren.

Wir fahren in ein Dorf in der Nähe von Banyas, um weitläufige Verwandte zu besuchen. Es liegt in den Bergen und man hat von dort eine schöne Sicht auf das Meer und die Raffinerie von Banyas, die allerdings die Sicht etwas verdirbt. Aber was soll man machen. Sie wird eben gebraucht, denn Banyas war der Hafen für die Ölexporte vor dem Krieg.
Auch hier wieder die vielen blühenden Büsche und Bäume, Feigen und Weintrauben, Oliven- und Orangenhaine. Hier ist das Leben noch sehr solidarisch und äußerst gastfreundlich. Alleinlebende alte Leute werden wie selbstverständlich ins Besuchsleben aufgenommen. Natürlich spricht sich schnell herum, wenn jemand Gäste empfängt und dann kommt der eine oder andere Nachbar hinzu und wird genauso zum Kaffee und Obst eingeladen wie die Besucher. Ich erinnere mich noch an früher, wo wir wildfremde Leute mit einem Bekannten zu den Menschen in den Bergen gekommen sind und sie uns empfangen haben wie alte Freunde und zum Abschied wie alte Freunde verabschiedet haben. Hier wenigstens ist die Tradition geblieben. Man freut sich über jeden Besucher und heißt alle willkommen. Ich glaube, das ist genau das Leben, das den echten Flüchtlingen fehlt.
Auf dem Rückweg machen wir noch einen Abstecher nach Hmeimin und sehen zwei russische Hubschrauber und einen Jagdflieger, die von einem Einsatz in ihre Basis zurückkehren. Das kleine Dorf erfreut sich einer großen Bautätigkeit und ist enorm gewachsen. Am ersten Tag des Festes wird in der Moschee dort wie in anderen Dörfern und Städten auch von einer Großfamilie ein Schaf und auch Hühner geschlachtet, je nachdem, wie groß das Budget der Familie ist, und ein großer Teil des Fleisches wird an die Armen verteilt mit großen Mengen an Bourgol maa Homos (Bulgur mit Kicherebsen). Unsere Schwägerin, die das mit ihrer Familie auch für uns in Angriff genommen hatte, erzählte uns von großer Armut. Mütter mit ihren Kindern, die ihre Ehemänner im Krieg verloren haben und die Kinder mehr schlecht als recht durchbringen. Die Schwester der Schwägerin kümmert sich um solche Familien, weshalb ich immer mindestens einen großen Koffer mit Kleidung aus Deutschland mitbringe, obwohl ich natürlich weiß, dass das auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Aber lieber ein Tropfen als gar nichts.

Heute ist der zweite Tag des Festes und wir sind diesmal am Vormittag zum Schwimmen gefahren.
Die Stadt Lattakia breitet sich auch immer mehr nach Nordosten aus. Dafür müssen dann etliche Obstgärten und Felder weichen. Wenigstens sind diese Viertel architektonisch besser durchdacht als das ehemals wilde Herumbauen im Zentrum der Stadt. Wenn sich dies wenigstens am historischen hellenistischen Bauplan orientiert hätte, von dem noch die eine oder andere Säule oder Ruine zeugt.

Die syrischen Ingenieure haben die Elektrizitätsversorgung in Aleppo wieder vollständig hergestellt, indem sie jeden Tag 8 Stunden daran gearbeitet haben (man muss sich mal vorstellen, bei fast 40 Grad unter der glühenden Sonne). Das war wohl ein Geschenk zum Fest. Hier werden die Elektrizitätsingenieure genauso wie die Soldaten als Helden betrachtet, denn nicht wenige von ihnen wurden bei der Ausübung ihrer Tätigkeit von den moderaten und anderen Kopfabschneidern abgeschossen.
Und heute gibt es gute Nachrichten aus Hama, wo die Armee das Dorf ‚Aqeirbat befreit hat. Am frühen Abend wollen wir wieder mal einen Zuckerrohrsaft trinken gehen. Der ist viel weniger süß als man glaubt und wird frisch gepresst serviert.

Am Sonntag hört man in Lattakia am Nachmittag verstärkt die Kampfflieger, die von ihrem Einsatz kommen oder zu ihrem Einsatz fliegen. Das muss wohl in nördlicher Richtung sein.
Die syrische Armee ist nur noch 17km von Deir ez Zor entfernt und irakische Hash al Shaabi sind in Sukhneh angekommen, um dort die syrische Armee zu unterstützen.
In der Stadt herrscht am Abend buntes Treiben wie in allen Ferien- oder Universitätsstädten der Welt. Dann scheint der Krieg ganz weit weg zu sein. Manche Leute sagen mir, dass sie gar keine Nachrichten mehr ansehen, denn bald 7 Jahre Krieg stehen ihnen bis zum Hals.

Heute ist der letzte Tag des Festes und in Lattakia. Wir haben Verwandte besucht und wieder einiges erfahren. Ich wäre eigentlich gern nach Kassab gefahren, das die Armenier schon wieder schön hergerichtet haben sollen, aber wir waren nicht lange genug hier und es war einfach zu heiß. Da verliert man alle Lust, ins Auto zu steigen. Inzwischen sind nämlich 33 Grad feuchter Hitze oder mehr. Lieber gehen wir am Vormittag noch einmal schwimmen.
Die Fächerpalmen auf dem Weg tragen Früchte, die für die Herstellung von Tamerindensaft verwendet werden. Ich liebe diese grüne Landschaft hier an der Küste.
Morgen beginnt in Syrien wieder die Schule.
Die syrische Armee ist nur noch 3 km von Deir ez Hzor entfernt. 3000 irakische Hashd al Shaabi sind bei Sukhne eingetroffen, um die befreiten Gebiete zu sichern. Der Euphrat in Deir ez Zor gehört zu den schönsten Flüssen der Welt. Er ist sehr breit, durch einige Inseln in mehrere Läufe aufgeteilt und fließt gemächlich vor sich hin. Vor dem Bau der Staudämme in der Türkei und in Syrien gab es jedes Jahr im Frühjahr große Überschwemmungen, ersichtlich durch hohe Böschungen, die oft vier Kilometer auseinander liegen, ein breites Flussbett, das die Überschwemmungen gegraben hatten. Heute liegen die Ortschaften am Fluss innerhalb dieses Jahrtausende alten Bettes, in dem sich der Flusslauf auch immer mal verändert hatte. Besonders bei Sonnenuntergang war der Blick über den Fluss unvergleichlich und man hörte lediglich die großen Flussvögel, wenn man über die Fußgängerhängebrücke aus der französischen Mandatszeit ging.
2010 war ich über die Veränderungen erstaunt, die die Stadt in den sieben Jahren davor erlebt hatte.
Mit der Errichtung der Universität und der petrochemischen Studiengänge in der Stadt änderte sich auch das Stadtbild. Aus einer reinen Beduinenstadt, die am Abend praktisch tot erschien, wurde eine moderne Universitätsstadt, wo auch am Abend die Frauen sich mit anderen Frauen in den Cafés trafen und man die Familien und nicht nur Männer in den Restaurants antreffen konnte.
Der Tigris dagegen, der die östliche Grenze Mesopotamiens bildet, ist ein stürmischer Fluss mit einem höheren Gefälle und hat dadurch wieder seine eigenen Reize. Große Hochkulturen gab es auch im Mittleren Mesopotamien, in Syrien, wie die Stadt Mari, die auf einem Hochplateau, geschützt vor den damaligen Überschwemmungen des Euphrats lag, aber auch viele Städte am Khabbur, einem Nebenfluss des Euphrats. Beide großen Flüsse entspringen in Anatolien, der Tigris bildet dann eine relativ kurze Grenze zwischen der Türkei und Syrien und dem Irak und Syrien, bevor der dann nur noch durch den Irak fließt und sich mit dem Euphrat zum Schatt al Arab vereinigt und den Persischen Golf erreicht.
….

Bericht Sommer 2017, V und Ende
Heute war das Ashura-Fest, das die Schiiten vor allem im Libanon begehen, an dem sie des Todes des Enkels von Mohammed gedenken, der mit seinen Anhängern der erste Widerstandskämpfer gegen die despotische Herrschaft des Kalifen Yezid gewesen war und vpon diesem getötet wurde. Dieses Fest hat auch heute wieder besondere Bedeutung erlangt in der Widerstandsachse gegen die Kriegsdespoten in er Region und international.
Zum ersten Mal seit Langem waren wir auch etwas außerhalb von Damaskus zu Besuch, in Jdeideh-Artous, südwestlich der Stadt. Unsere Freunde dort hatten während des Krieges ihre Wohnung für 9 Monate wegen der Kämpfe verlassen, sind aber trotzdem glimpflich davon gekommen. Aber auch in dieser Ortschaft sind Einschüsse in den Wohngebäuden zu finden, doch hat sich das Leben auch dort normalisiert.
Am Abend wehte ein frischer Wind und wir hoffen, dass das der Vorbote einer Wetterveränderung ist.

Gestern ist ein russischer General in Deir ez Zor durch eine Granate des IS getötet worden, wohl mit Hilfe der Nachrichtenübermittlung der Amis.
Die Temperaturen sind nun tatsächlich heruntergegangen, statt um die 40 Grad vorher, jetzt um die 30 Grad.

Heute sind wir aufgewacht durch Kanonenschüsse vom Qassiun auf die südöstliche Ghouta. Die warenwieder einmal so stark, dass Autos ihr Alarmsystem in Gang setzten und ein Nachbarhündchen bellte. Außerdem waren Explosionen zu hören und viele Rauchschwaden über Jobar zu sehen.Das ist überhaupt eine Beobachtung: Zunahme von kleineren Hunden, die zu Familien gehören.

Die Amis sind ganz entzückt und tun so, als sei jetzt die Demokratie in Saudiarabien ausgebrochen, weil Frauen nun ein Auto steuern dürfen (vorausgesetzt natürlich, Vater oder Ehemann erlauben das). Dabei vergessen sie natürlich zu erwähnen, dass Dutzende saudische Persönlichkeiten festgenommen wurden, nicht etwa weil sie sich für Qatar ausgesprochen hätten (man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen!), sondern weil sie sich nicht gegen Qatar ausgesprochen haben. Die Saudis sind wirklich auf dem Weg zur perfekten Demokratie. Aber die Amis sind ja sowieso bescheiden, wenn es um Demokratieansprüche an ihre Freunde geht, solange die tun, was ihre Herren wollen.
Gestern waren wieder intensive Kämpfe in Jobar, die heute weitergehen.

Bei Mayadeen läuft gerade eine Reportage über ISIL-Witwen. Eine Tunesierin, die ihrem Mann nach Syrien zur „Freien Syrischen Armee“ gefolgt ist, dann bei Jabhat al Nusra und schließlich dem ISIL gelandet ist. Die Behandlung nach dem Tod ihres Mannes und wie sie schließlich mit ihren Kindern zuerst nach Mayadeen und dann mit Hilfe eines Fluchthelfers zu den Kurden fliehen konnte. Auch eine Libanesin, die sich nach dem Tod ihres Mannes wieder verheiratet hatte und mit ihm aus Raqqa nach Mayyadin geflohen ist und dann nach Menbidj, obwohl sie immer mit dem Tod durch Kopfabschlagen rechnen müssten, so gehschehe es nämlich allen, die versuchten zu fliehen und erwischt würden.
Beide versichern, dass diese Herrschaftsform nichts mit dem Islam zu tun habe, dass die Frauen zur Prostitution gezwungen würden, die im Übrigen auch Frauen unterstehe, welche die anderen Frauen schlügen. Drogen würden vor allem von den Franzosen unter ihnen verbreitet, der IS sei ein atheistischer und nicht ein islamischer Staat. Die Reue ist groß und die Sehnsucht nach einem normalen Leben wie vordem ebenfalls. Entweder sind diese Frauen ihren Ehemännern gefolgt oder sie haben sich in einer romantischen Robin-Hood-Filmromanze gewähnt, wo sie einen Helden heiraten würden, der sich für Gerechtigkeit und ein besseres Leben für alle einsetze,
Dann hat sie allerdings die harte Wirklichkeit eingeholt mit ihren Ungleichheiten, unmenschlichen Behandlungen und diktatorischen Strukturen.
Große Schießereien bei uns in der Nähe, ich kann es nicht näher ausmachen. Allerdings bin ich gerade alleine und habe um diejenigen Angst, die in der Stadt sind und um die Soldaten an den Kontrollpunkten. Es ist schon ein mulmiges Gefühl, wenn man es so nahe mitbekommt, auch wenn man es vor ein paar Jahren ja täglich gewöhnt war. Es muss wirklich was Größeres sein, weil man es auch etwas weiter weg hört.
Außerdem gibt es wieder große Explosionen in Jobar. Das sieht nach Haussprengungen aus. In der Weite steigen große Staubwolken auf.
Inzwischen bestätigt: Die Terroristen haben Tunnels unter Gebäuden, die von der syrischen Armee eingenommen worden waren, in die Luft gejagt, wobei 45 Soldaten getötet wurden.Irgendwie schon gruselig, wenn man das selbst miterlebt. Die armen soldaten und ihre Familien.
Und dann noch etwas: Der neue Präsident des syrischen Parlaments ist ein Christ aus Hassakeh. Ich nehme an, syrisch-orthodox.

Der Freitag zeichnet sich durch zwei besonders laute Kanonenschüsse vom Qassiun aus, aber sonst gibt es nichts Besonderes. Ja, die Armee hat ihre gestern verlorenen Ortschaften an der Straße nach Deir ez Zor zurückerobert. Große Verluste der ISIListen.

Am Samstag besuchen wir noch einmal die Altstadt. Das ist wirklich etwas, was ich liebe. Wiedersehen, was schon immer da war, und was eventuell nicht mehr da ist.
Wir nehmen das Sammeltaxi, weil man sowieso keinen Parkplatz in der Innenstadt findet. Eigentlich hatten wir gedacht, dass wir am Samstag weniger Leute vorfinden, da dann noch das Wochenende ist, aber das Gegenteil ist der Fall. Alle Leute hatten die gleiche Idee: Einkaufsbummel. Einen Platz im Sammeltaxi bekommen wir gerade noch, als wir schon wieder zurück nach Hause gehen wollen, um das eigene Auto zu nehmen.

Die Gerade Straße hat sich verändert, nicht im überdachten Teil (Suq Madhat Pasha), sondern im offenen Teil. Die griechisch-orthodoxe Marienkathedrale hat einen modernen Anbau bekommen, was weniger schön ist und zwischen dem Römischen Bogen und Bab ash Sharqi ist eine neue Moschee entstanden. Einige Häuser verfallen, die Eigentümer lassen sie wohl verfallen, um sie abreißén zu können und was Neues hinzustellen, was sonst verboten wäre wegen dem Denkmalschutz. Hoffentlich können zwei betroffene Häuser noch gerettet werden, denn die waren besonders schön. Dafür ist aber die Straße grün geworden, was früher nicht der Fall gewesen war, und es gibt weniger Autos.
Eine Vielzahl von Restaurants oder Cafés hat aufgemacht,besonders im christlichen Viertel. Damit werden viele der Altstadthäuser erhalten. Auch neue Hotels sind entstanden. Nur die Gäste fehlen noch. Vor der Omeyyadenmoschee steht ein Bus mit libanesischen Touristen.
Wir kehren auch bei Baghdash im Suq al Hamadiyeh ein, dem traditionellen Eishersteller. Aber es sind dort so viele Leute, dass wir gar keinen Platz bekommen und das Eis nach draußen nehmen müssen.
Am Rande der Altstadt bei der Thaura-Brücke entsteht ein riesiger Holiday-Inn Komplex. Das geht natürlich zu Lasten alter Gebäude. Daran kann man die Lage in Syrien und in Damaskus ablesen. Welcher internationale Konzern investiert schon in ein Land ohne Zukunft?

Am Abend kommt ein kühler Wind auf und die Temperaturen fallen. Jetzt hat endgültig der syrische Herbst Ende September begonnen mit Jacke am Abend und um die 25 Grad.

Fazit unseres Aufenthaltes: Man sieht sehr wenige Bettler. Trotzdem gibt es sicher große Armut. Das sieht man im Suq al Haramiyeh, wo gebrauchte Dinge verkauft werden: Porzellanservice, alle Arten von Dingen, die die Leute entbehren können. Ich hörte auch vom Verkauf von Fernsehgeräten und anderen Geräten im Lande, die die Leute verkaufen, um überleben zu können. Es erinnert an das Ende der Sowjetunion, als die Leute ihren Hausrat auf den Straßen verkauften. Viel verborgene Armut, da die Leute sich dafür schämen, obwohl das ja nicht ihre Schuld ist.
Auf der anderen Seite fragt man sich wieder, wie andere Leute in solchen Massen einkaufen können. Ich denke, dass sie Zuwendungen von Verwandten aus dem Ausland bekommen. Man sieht auch sehr viele chinesische Waren im Verkauf, auch koreanische. Und natürlich eine Menge syrischer Waren. Die Sanktionen sind ganz sicher schmerzhaft, haben allerdings die Wirkung, dass die heimische Industrie angekurbelt wird. Das war schon in den 1980er Jahren so gewesen. Und die Leute werfen weniger weg.
Damit endet mein diesjähriger Bericht aus Syrien.
Danke an die Tagebuchschreiberin „Barbara“ und viele Grüße


urs17982.wordpress.com

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